NABU Hessen: Igel im Herbst
NABU Hessen: Naturnahe Gärten sind der beste Igelschutz
Wann Igel wirklich Hilfe brauchen und wie sie richtig unterstützt werden
Wetzlar – Für die Igel beginnt jetzt im Spätherbst der Endspurt auf der Suche nach Nahrung
und einem passenden Winterquartier. Um gut vorbereitet die kalte Jahreszeit zu überstehen,
müssen sie sich genügend Gewicht anfressen, denn schon etwa seit Mitte Oktober wird das
Nahrungsangebot knapper. „Bitte starten Sie mit dem Igelschutz nicht erst, wenn Ihnen im
Herbst ausgemagerte Tiere begegnen, sondern packen Sie das Problem an der Wurzel.
Denn die kleinen Stacheltiere stehen inzwischen bereits auf der Vorwarnliste der bedrohten
Tierarten und brauchen über das ganze Jahr igelfreundlichen Gärten, um genügend Futter
und Rückzugsräume zu finden. Nur so kann man den Igeln wirklich nachhaltig helfen“, rät
Maik Sommerhage, Landesvorsitzender des NABU Hessen.
Igel im Garten: Ortstreuer Feinschmecker mit Ruhebedürfnis
Die dämmerungs- und nachtaktiven Stacheltiere fühlen sich in naturnah gestalteten Gärten
wohl. Einmal da, bleiben Igel meist ein Leben lang ihrem Lebensraum treu. Weil Igel den Tag
und den Winter an nicht einsehbaren Stellen verschlafen, sind sie auf störungsfreie
Rückzugsräume angewiesen. Wer seinen Garten jetzt winterfest macht, kann dem Igel also
etwas Gutes tun, indem Laub sowie Grün-, Baum und Heckenschnitt in einer Gartenecke,
unter Hecken und Bäumen, liegen bleibt oder aufgehäufelt wird. Eine Umrandung aus
Feldsteinen hält das Material zusammen. Ihre Nester bauen Igel auch gerne in
Komposthaufen. Denn auf ihrem Speiseplan stehen Käfer, Spinnen, Regenwürmer,
Schnecken, Tausendfüßer und andere Kleintiere, die sich gerne im Komposthaufen
tummeln. Auch eine Trockensteinmauer mit Höhlungen im hinteren Teil und ausreichend
großen Zugängen kann als Quartier dienen. Gekaufte Igelkuppeln oder selbst gebaute
Igelhäuschen sind ebenso willkommen.
Junger Igel tagsüber im Garten – ein Warnsignal?
Was tun, wenn im Herbst tagsüber ein kleiner Igel durch den Garten streunt? Sommerhage
erklärt: „Die jungen Igel werden noch bis Ende September geboren und nutzen bis zum
deutlichen Wintereinbruch noch jede Gelegenheit, um Energiereserven für den Winter zu
sammeln.“ Der Nachwuchs von Igeln könne bei milden Temperaturen sogar noch im
Dezember draußen unterwegs sein. Wenn es nachts am Boden dauerhaft frostig wird,
suchen Igel schließlich ihr Winterquartier auf. Erst gehen die Männchen, dann die Weibchen
und zuletzt die Jungigel in den Winterschlaf. Einen Igel tagsüber im Garten anzutreffen, sei
also nicht automatisch ein Warnsignal: „Das kann normal sein, wenn er zum Beispiel durch
die eigene Gartenarbeit oder die der Nachbarschaft aus seinem Versteck aufgescheucht
wurde. Also bitte nicht vorschnell handeln, sondern das Tier zunächst einige Zeit
beobachten“, so der Landesvorsitzende. Denn oft trauen sich Igel nicht direkt zurück in ihr
Versteck und treten den Weg erst wieder am Abend an.
Wann sind Igel wirklich in Not?
Doch ab wann benötigen Igel überhaupt Hilfe und wie sollte diese aussehen? Zunächst
müsse betont werden, dass der Igel zu den geschützten Tierarten gehört: „Er darf laut
Bundesnaturschutzgesetz weder gefangen noch getötet werden. Nur in absoluten Notfällen,
wenn ein Igel verletzt oder krank ist, dürfen sachkundige Menschen (Wildtierstationen) ihn
für eine kurze Zeit in ihre Obhut nehmen, gesund pflegen und alsbald wieder in die Freiheit
entlassen.“ Deswegen sei es auch so wichtig, den Igel zunächst genau zu beobachten,
erklärt Sommerhage: „Welchen Eindruck macht der Igel? Bewegt er sich normal fort oder
taumelt er, fällt um oder wirkt apathisch? Hat er eine Verletzung? Blutet er? Hustet er stark?
Kann er sich nicht einrollen? Sieht der Igel aus, als hätte er sich in Sägespänen gewälzt?
Das sind dann Fliegeneier oder sogar Maden. Fühlt er sich kalt an?“ Trifft eines der Kriterien
zu, ist der Igel wirklich auf Hilfe angewiesen und ein Tierarzt oder eine gute
Igelauffangstation sollten konsultiert werden. Als Erste Hilfe Maßnahme sollten sofort ALLE
Fliegeneier und Maden vom Igel entfernt werden. Für die Maden am besten eine Pinzette
verwenden, die Eier können gut mit einer trockenen Zahnbürste ausgekämmt werden. Diese
Sofortmaßnahme kann bei hilfsbedürftigen Igeln tatsächlich über das Überleben
entscheiden. Auf keinen Fall sollten von Parasiten befallene Igel eigenmächtig mit Spot-On-
Präparaten behandelt werden. „Diese Präparate werden von Igeln nicht gut vertragen und
können schnell zum Tod führen“, warnt Sommerhage. Generell gilt, dass hilfsbedürftige Igel
in die Hände von Expert*innen gehören, denn mit Quartier und Futter ist es bei weitem nicht
getan: Die fach- und tiergerechte Betreuung eines Pfleglings braucht Erfahrung, tägliche
Zuwendung und verursacht Mühe und Kosten, was nur zusammen mit Igelstationen und
Tierärzt*innen geleistet werden kann. Wer also ein verletztes oder krankes Tier findet, sollte
es an eine Igelstation vermitteln.
Reicht die Energie für den Winter?
Ab wann ist ein Igel untergewichtig und braucht unsere Unterstützung und ab wann sollte er
wirklich eingesammelt werden? „Hier besteht immer noch große Verunsicherung und es wird
häufig viel zu früh Alarm geschlagen. Denn erst mit einem größeren Kälteeinbruch besteht
für untergewichtige Jungigel mit weniger als 600 Gramm, kranke oder verletzte Tiere die
Gefahr, für den Winterschlaf nicht ausreichend gerüstet zu sein. Ein Igel sollte immer
eine tropfenförmige Statur haben. Ist er eher walzenförmig oder hat eine Hungerkuhle im
Nacken und herausstehende Hüftknochen, braucht er dringend Hilfe“, sagt der
Landesvorsitzende. Sind keine Krankheiten oder sonstigen Beschwerden ersichtlich, ist es
immer die bessere Wahl, den Igel in der Natur zu lassen. Auf diese Weise werden die
Igelfamilien nicht auseinandergerissen und die Igelweibchen können ihren Nachwuchs weiter
versorgen. Ist das winterliche Idealgewicht bisher noch nicht erreicht, dann ist es sinnvoll den
Igel vor Ort mit Wasser und einem Gemisch aus hochwertigem Katzennassfutter (ohne
Gelee und mit Fleischanteil von mindestens 60%), gebratenem Rinderhack und
ungewürztem Rührei oder rohen Eiern zu unterstützen. „Igel dürfen auf keinen Fall mit Milch
gefüttert werden. Der Milchzucker führt bei ihnen zu schmerzhaften Koliken und
krankmachendem Durchfall. Auch das inzwischen im Handel angebotene fertige Igelfutter ist
leider nicht geeignet und kann von den Tieren nicht verwertet werden“, warnt Maik
Sommerhage. Wer Angst davor hat, mit dem Futter andere Tiere anzulocken, könne dem
Igel, sobald er im Garten oder auf der Terrasse auftaucht, das Mahl direkt vor die Nase
stellen, das Fressen abwarten und dann die Schüssel direkt wieder mit hineinnehmen. Wer
sich trotz Zufütterung noch unsicher ist, ob das Tier rechtzeitig bis zum Winter ausreichend
Fettreserven ansetzt, kann zwei bis drei Stacheln vorsichtig mit etwas Nagellack markieren
und das Tier probeweise immer mal wieder wiegen, wenn es erneut im Garten auftaucht.
Nimmt der Igel zu, ist alles gut.
Wenn Igel zwischendurch mal wach werden…
Wenn es mitten im Winter öfter mal T-Shirt-warm wird und im Garten der Grill angefeuert
werden kann, werden auch Igel mitunter putzmunter und durchstreifen die Gärten auf
Nahrungssuche. Dass Igel bei hohen Temperaturen aufwachen, ist normal und bei gesunden
Tieren kein Problem. Passiert das im Laufe des Winters öfter, kann das allerdings an den
Kräften der Igel zehren, denn das Nahrungsangebot ist jetzt relativ schlecht. In diesem Fall
können Sie den Igel durch Zufüttern unterstützen. Hilfe benötigen aufgewachte Winterigel
nur, wenn sie krank oder deutlich geschwächt sein sollten. Sobald die Temperaturen sinken,
werden sich die Igel wieder in ihr Winterquartier zurückziehen.
Gefahren für Igel vermeiden
Um Igel vor Verletzungen und Vergiftungen zu schützen, sind Gifte und Mähroboter sowie
Laubsauger im Garten tabu. „Mit dem Laub werden darin lebende Würmer, Spinnen oder
Asseln eingesaugt, gehäckselt und getötet. Dies beeinträchtigt die Bodenbiologie
beträchtlich und Kleinsäuger, wie Igel, finden weniger Nahrung. Besser ist es, das Laub mit
Besen und Rechen zusammenzufegen und auf einen Haufen zu geben, damit es dort
verrotten kann und Kleinstlebewesen sich weiterhin darin verstecken können“, rät der
Naturschützer Sommerhage. Das Laub kann übrigens auch als Frostschutz für die
Blumenbeete genutzt werden. Grelle Gartenbeleuchtung ist (nicht nur) für die nächtlichen
Wanderer übrigens ein No-Go. Durch die Beleuchtung schaden wir vielen Tieren, von denen
sich der Igel ernährt und auch die Igel drehen auf ihrer nächtlichen Nahrungssuche häufig
große Runden, um nächtliches Kunstlicht zu meiden. Damit sie keine kräftezehrenden
Umwege machen müssen, sollte das Licht im Garten nachts also aus bleiben. Zusätzlich
sollte unter Zäunen oder Toren ein Durchschlupf für sie bleiben, damit sie sicher und ohne
Umwege von Grundstück zu Grundstück wechseln können. Steile Teichufer, Lichtschächte
und Treppenaufgänge können für Igel, Kröten, Salamander und andere Tiere zur tödlichen
Falle werden und sollten immer mit einer Ausstiegshilfe gesichert sein.
Weitere Informationen:
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